Tag 4, Sonntag den 1. Januar 2006

Willkommen im neuen Jahr, heute geht es über die Staatsgrenze nach Arizona. Nach der letzten Nacht geht es mir um 7 Uhr erstaunlich gut, nur meine Stimme ist immer noch ein Graus, das war sie vorher aber auch schon. Ich breche meine Zelte ab und esse eine Kleinigkeit im Schein der aufgehenden Sonne. Dann fahre ich hinab Richtung Cottonwood und dem Interstate 10. Hierbei gelangt man aus dem höhergelegenen Teil Joshuas der der Mojavewüste zuzurechnen ist in die tiefergelegene Coloradowüste. Diese besitzt wiederum ihre ganz eigene Flora. Die Joshua Trees verschwinden und an ihre Stelle tritt der duftende Creosote-Busch eine Charakterart der Coloradowüste.

thomasbahr.de joshua creosote bush

Nach einer Weile erreicht man den Chola-Kaktusgarten, wo ich natürlich anhalte. Die wie pelzig bestachelten Kakteen sehen sehr putzig aus, ihre wiederhakenbesetzten Stacheln sind aber teuflisch. Die wären was für meinen Kakteengarten, aber wer trägt so ein Teufelszeug in den Keller. Außerdem ist das Mitnehmen von Pflanzen im Nationalpark natürlich verboten.

thomasbahr.de chola cacti 1 thomasbahr.de chola cacti 2 thomasbahr.de chola cacti 3

Ich folge der Straße und treffe auf einige Ocotillos, dieser Busch reckt seine kahlen mehrere Meter langen Äste in die Luft. Regnet es jedoch bildet er binnen weniger Tage seine kleinen grünen Blätter und schmückt sich kurze Zeit später mit Rispen roter Blüten. Leider ist hier wohl in letzter Zeit kein Regen gefallen und die Ocotillos sind alle kahl.

thomasbahr.de joshua ocotillo cactus

Ich hatte schon einige in den San Jacinto Bergen gesehen, die haben sogar geblüht nur anhalten zum fotografieren konnte man auf der Bergstraße schlecht. Ich halte noch einige Male in der Wüste an, die Stille ist so stark dass man sein Blut in den Ohren rauschen hört, oder andere Autos noch mehrere Meilen entfernt.

thomasbahr.de joshua quiet 1 thomasbahr.de joshua quiet 2

Kurz vor Verlassen des Parks finde ich noch ein paar Ocotillos die wohl etwas Regen abgekriegt haben und noch grüne Blätter haben. Auch ist der ganze Talboden mit rotblühenden Wüstenpflanzen übersäht. Überall brummt es während tausende Honigbienen die Blüten besuchen und bestäuben.

thomasbahr.de joshua goodbye

Dann habe ich Joshua hinter mir gelassen und biege auf den Interstate 10 Richtung Osten ein.

Hier beginnt mein Roadtrip. Wie ich das jetzt schreibe ärgere ich mich, dass ich kein einziges Foto gemacht habe, die 20-30 Minuten wäre im Endeffekt auch egal gewesen. Naja zu spät. Ich fahre den I-10 entlang durch eine Gegend die man nur als gottverlassen bezeichnen kann. Links und rechts ist einfach NICHTS. Einzig alle 40-50 Meilen ein winziges Nest und eine Tankstelle. Dennoch weist diese Landschaft mit ihrer klaren Luft und der Weite und Einsamkeit einen eigenen Reiz aus. In Blythe kurz vor der Grenze nach Arizona tanke ich mal wieder und erwische prompt ein Tankstelle die ca. 15 Cent teuerer ist wie eine zwei Ausfahrten weiter. Als ich das merke ist der Tank schon voll und auf die zwei Dollar kommt es auch nicht wirklich an. Ich erreiche Arizona, scheinbar schlagartig wandelt sich die Vegetation und es tauchen wie Säulen die gigantischen Saguarokakteen auf. Auch die Ocotillos und Chollas bestimmen fortan das Landschaftsbild. Daneben dominieren vor allem RV-Parks das Bild. Hier im trockenen, warmen und eigentlich immer sonnigen Süden Arizonas überwintern hunderttausende US-Rentner in ihren rollenden Trutzburgen. Ich verlasse hier auch den Interstate und folge fortan einer Reihe von Highways. In der Praxis macht das aber kaum einen Unterschied. Einzig die Höchstgeschwindigkeit ist 10 Meilen pro Stunde niedriger und es gibt nur eine Spur. Da die Straßen aber schnurgerade und sehr leer sind macht das nichts aus. Ich rausche also durch die Einsamkeit des Südwestens, um mich herum wandelt sich die Landschaftskulisse langsam oder auch mal sprunghaft. Als ich den Ort Congress erreiche geht es steil die Berge hinauf und als ich oben bin ist die Landschaft vollständig gewandelt. Die Wüste macht hier einer Grassteppe mit einzelnen eingestreuten, jetzt kahlen, Laubbäumen platz. Es ist hier das Land der Rancher und irgenwie so ein bischen wilder Westen. Die Straße kurvt träge dahin und ich lasse mich mit ihr treiben. Nach etwas über einer Stunde und einem Ausflug über die bewaldeten Ketten des Prescot National Forrest erreiche ich die gleichnamige Stadt. Diese lasse ich hinter mir und fahre hinaus ins Chino Valley und den Kibab National Forrest. Eine seltsame Stimmung ergreift mich, wie weit und wunderbar der Westen doch ist. Wie die Landschaften sich fortwährend ändern. Dann treffe ich auf den I-40 dem ich nach Osten folge. In Williams fülle ich den inzwischen recht leeren Tank wieder auf, schließlich ist man immer gut beraten nicht in zu abgelegen Gegenden seinen Sprit besorgen zu müssen. Selbst in Willams zeigt sich die Grand Canyon Abzocke schon von ihrer besten Seite. Preis des Sprits am Interstate 2,69 Dollar pro Gallone und circa 2 Meilen weiter in der Innenstadt nur noch 2,24 Dollar. Also satte 45 Cent Preisunterschied. Nach dem Tankstop geht es die letzten 54 Meilen zum Grand Canyon über das Coconino-Plateau. Hier wechselt sich eine Prärielandschaft bei Annäherung an den Park mit dichten Kieferwäldern ab. Am Eingang zum Grand Canyon kann ich die Schlange umfahren und am Schalter meinen Nationalparkpass nutzen. 20 Dollar spare ich mir damit auch noch. Also nur noch 2 mal billiger Nationalpark oder einmal teurer Park und ich habe den Pass schon drinne.

Im Park checke ich nur kurz ob es genügend freie Campgrounds gibt, aber alles im grünen Bereich. Dann fahre ich zum Parkplatz beim Büro der Parkverwaltung und laufe die letzten 600 m bis zum Canyon. Ich weis nicht wie ich den Moment beschreiben soll als ich dann davor stand. Überwältigend ist dem Ganzen irgendwie schon angemessen. Vor dir tut sich dieser über 20 km breite und 1,5 km tiefe Graben auf. Die rote Farbe, die Struktur, der Grand Canyon ist wirklich einzigartig.

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Da unten liegt Platform Point wo ich morgen hinwandern werde.

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Im vergehenden Abendlicht ein Blick in den Bright Angel Canyon am "anderen Ufer"

thomasbahr.de grand canyon bright angel canyon

Ich spaziere noch eine Weile am Rand entlang, schieße Fotos und es wird dunkel. Dann fahre ich zum Campingplatz zurück und lasse den Tag im Auto wie immer mit Essen, Bilderdownload und Schreiben ausklingen. Zudem plane ich meine restliche Zeit grob durch und mache meinen Plan für morgen. Gute Nacht denn es ist jetzt 10 Uhr Mountain-Time.